Wie alles begann

Zufälle gibt’s!

Der Umweg zu „PikAss“ über Berlin nach Freudental

Michael Volz, OStR, Leiter für Pädagogik & Kultur am PKC in Freudental

Als ich im Herbst 2018 vom Robert-Bosch-Gymnasium in Gerlingen an das Pädagogisch-Kulturelle Centrum wechselte und damit auch zwölf Jahre Theater-AG hinter mir ließ, dachte ich zunächst einmal nicht mehr in Theater-Kategorien. Ich freute mich auf Führungen, Kulturmanagement und darauf, viel Neues über das Judentum kennenlernen und vermitteln zu dürfen.

Glücklicherweise gibt es etliche Publikationen über die Freudentaler jüdische Geschichte und natürlich habe ich aus dienstlichem Interesse immer wieder darin weitergelesen, um gut Bescheid zu wissen. Theobald Nebel zeichnet in seinem mittlerweile vergriffenen Buch „Die Geschichte der Freudentaler Juden“ unter anderem die außergewöhnliche Lebensgeschichte des in Freudental 1888 geborenen (und 1970 auch hier begrabenen) Julius Marx nach, der als erfolgreicher Stuttgarter Firmeninhaber noch rechtzeitig vor der zunehmenden Naziverfolgung in die Schweiz emigrierte. In einem Satz auf der Seite 116 wird „das unveröffentlichte Widerstandsdrama ‚Pik Ass‘“ erwähnt und in der Fußnote erfährt man, dass der literarische Nachlass von Julius Marx im Archiv der Akademie der Künste in Berlin liegt.

Beruflich fuhr ich im Frühjahr 2019 nach Berlin, konnte dieses Archiv besuchen und dort in zwei kurzen Arbeitssitzungen die Werke von Julius Marx einsehen. Das Drama „Pik Ass“ erschien mir von der Anlage her viel zu lang, für heutige Verhältnisse und für das Schultheater zu schwülstig und zu textlastig, jedoch thematisch interessant und insgesamt spielbar. Unklar waren die Aufführungsrechte und vor allem sah ich leider gar keine Theatergruppe vor mir, der ich dieses Projekt hätte vorschlagen können.

Zurück in Freudental stolperte ich einige Tage später im Treppenaufgang unseres Schneckenturms zufällig über zwei hochinteressante Kartons mit explosivem Inhalt – das Julius Marx-Archiv des PKC! Zusammen mit unserem damaligen FSJ’ler habe ich die Unterlagen gesichtet und neben Briefen, Spionageberichten (Julius Marx bediente den englischen Secret Service) und anderen literarischen Texten die Originalfassung von „Pik Ass“ aus dem Jahr 1942 gefunden.

Natürlich habe ich mir sofort eine Kopie der Schreibmaschinenseiten zur intensiven Lektüre mit nach Hause genommen. Auf einer langen Zugreise (ulkiger Weise wieder nach Berlin) habe ich dann den Text abgetippt und gleichzeitig um ein Viertel gekürzt. Diese Version habe ich drei Freunden vorgelegt, die mich und meine Theaterarbeit von früher her kennen und auf deren Rat bezüglich der Spielbarkeit des Stoffes ich hören wollte. Ihr Fazit war: Weiter kürzen und dringend uraufführen!

Durch die Benefiz-Aufführung des Helene-Lange-Gymnasiums in der ehemaligen Synagoge am 11. Juli 2019 – also vor gut zwei Jahren – kam ich mit Steffen Keim in Kontakt und konnte ihm bald das Rohmaterial zum guten Gebrauch und zur weiteren Bearbeitung in seiner Theater-AG übergeben. Da im zweiten Halbjahr des Schuljahrs 2019/2020 an regelmäßige Proben und eine Aufführung leider nicht zu denken war, startete in diesem Jahr ein „Projekt der 11. Klassen“ unter tätiger Mithilfe unserer aktuellen FSJ’lerin Lina Seditschka, die noch ein Jahr davor die Theater-AG im HLG besucht hatte. Die Realisierung der Uraufführung im PKC wurde ihr FSJ-Jahresprojekt!

Nun freue ich mich sehr, dass das durch Corona mehrfach und auf verschiedene Weise gebremste Theaterprojekt „PikAss“ (diese Schreibweise soll auch die tiefgreifenden Veränderungen des Marx’schen Urtextes widerspiegeln) nach zwei Jahren intensiver Arbeit in der groß angelegten eigenen Homepage und dem nun veröffentlichten Hörspiel einen guten und würdigen Abschluss findet. Es ist unter diesen Umständen eine ausgezeichnete Leistung, denn das Ergebnis spiegelt auf eindrückliche Weise die zeitintensive Recherche des geschichtlichen Hintergrunds sowie die große Kreativität von Schauspiel-, Musik-, Dramaturgie– und Ausstattungsgruppe. Das Durchhaltevermögen der Elftklässlerinnen und Elftklässler des Helene-Lange-Gymnasiums zusammen mit ihrem fünfköpfigen Leitungsteam ist einfach phänomenal.

Danke und „Chapeau“!

Logo des PKC © PKC Ehemalige Synagoge Freudental
Julius Marx im Familienkreis © PKC Ehemalige Synagoge Freudental
Michael Volz © PKC Ehemalige Synagoge Freudental
Logo des Helene-Lange-Gymnasiums in Markgröningen © HLG Markgröningen
Julius Marx an seinem 80. Geburtstag anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes © PKC Ehemalige Synagoge Freudental